volodymyr hryshchenko
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Die Credit Suisse ist bald Vergangenheit, die Alfred-Escher-Bank wird notfallmässig bei der UBS integriert. Zugespitzt hat sich die Krise nachdem die Silicon Valley Bank, einer der wichtigsten Kapitalgeber für zahlreiche Start-ups in Kalifornien, einen Kollaps erlitt.

Marc Friedrich

Am 15. März fiel die Aktie der Credit Suisse zum ersten Mal auf unter zwei Franken. Der Kurseinbruch an diesem Tag betrug zeitweise über 30 Prozent. Der CEO der Saudi National Bank, die neu knapp zehn Prozent an der Credit Suisse hält, schloss weiteres Geld für die Credit Suisse aus. Diese Meldung des Miteigentümers erfolgte in einer hypernervösen Zeit nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank und war im Rückblick der Todesstoss für die Credit Suisse. Die Kundengelder wurden noch intensiver abgezogen, bis zu zehn Milliarden Franken pro Tag. Die Nationalbank musste mit 50 Milliarden-Franken- Kredit beistehen, um die Stabilität des Finanzmarktes zu sichern. Das half aber der Credit Suisse nur wenige Tage. Am vergangenen Sonntag mussten weitere Massnahmen ergriffen werden, eine Blitzrettung, um einen Ausfall der Bank mit allen schlimmen Folgen abzuwenden. Wie konnte es soweit kommen?

Während der Niedrigzins-Phase der Zentralbanken hatte die Silicon Valley Bank günstige Kredite vergeben. Ihre Einlagen investierte sie in langfristige, festverzinsliche Anleihen. Dass ein Grossteil davon in sogenannten «Mortgage Backed Securities» (MBS), also in ebenjenen Papieren steckte, die vor knapp 15 Jahren die letzte grosse Finanzkrise ausgelöst hatten, ist eine Ironie der Geschichte. Dass der Chief Administrative Officer der Silicon Valley Bank, Joseph Gentile, früher Finanzchef der damals zusammengebrochenen Lehman Brothers Bank war, kann als grotesker Zufall gesehen werden.

 

Dass die Niedrigzinsphase irgendwann einmal zu Ende gehen müsste, war allen klar. Nur das Tempo, in dem die US-Zentralbank Fed die Zinsen erhöhte, überraschte dann doch die meisten Marktteilnehmer. Und genau das wurde auch der Silicon Valley Bank zum Verhängnis. Denn mit steigenden Zinsen sank der Wert der lang laufenden Anleihen. Kein Problem, wenn man die Produkte bis zum Ende der Laufzeit hält. Um kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen, musste die Bank aber plötzlich an Liquidität kommen – und die Wertpapiere mit Verlust abstossen. Das sprach sich herum, und es kam zu einem klassischen Dominoeffekt. Risikomanagement, also Absicherung gegen Zinsrisiken, Diversifikation, strikte Gegenkontrolle? Fehlanzeige.

 

Das erinnert an die Gründungszeiten der US-Zentralbank, die 1913 genau für solche Fälle geschaffen worden war: um als «letzte Hoffnung» dann einzuspringen, wenn plötzlich das Vertrauen in das Bankensystem einbricht und jeder an sein Geld will. Genau das geschah am Wochenende auch: Die Regierung garantierte nicht nur die 250 000 US-Dollar an Spareinlagen, sondern darüber hinaus auch die Einlagen von grösseren Kunden und Unternehmen. Das erfolgte, um das System zu retten, obschon US-Finanzministerin Janet Louise Yellen diesen Entscheid zuvor ausschloss. Das unterstreicht, wie viel Stress im Bankensystem ist.

Die Zentralbank ist eingesprungen, um eine Krise zu beseitigen, die von ihr mit Niedrigzinsen geschaffen wurde. Das ist in etwa so, als wenn man die Feuerwehr bejubelt, die einen Brand löscht, den sie zuvor selbst gelegt hat.

Wie aber geht es jetzt weiter?

Bisher ist nicht klar, ob der Flächenbrand im amerikanischen Bankensystem wirklich verhindert wurde. Denn die Aktien vieler Regionalbanken stürzten trotz Einschreitens der Fed weiter ab. Vieles deutet darauf hin, dass vor allem kleinere Banken unter den stark steigenden Zinsen leiden. Die Pleite der Silicon Valley Bank ist somit auch Warnschuss in Richtung Zentralbanken: Wenn die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation weiter ansteigen, kommt es zu weiteren Bankenkrisen. Wahrscheinlich muss die Fed nun ihre Zinspolitik überdenken. Sie steckt jetzt in einer Sackgasse: Durch die rasanten Zinserhöhungen hat man einen Punkt erreicht, wo das Bankensystem zerreisst. Die Inflation ist aber noch lange nicht unter Kontrolle. Das Bankensystem bleibe sicher, sagte vergangene Woche US-Präsident Joe Biden. In den USA betrifft das Spareinlagen bis zu einer Höhe von 250 000 US-Dollar.

Anders als in Europa hat man tatsächlich aus der Finanzkrise von 2008 etwas gelernt, nämlich die Eigenkapitalquote der Banken zu erhöhen. Der Untergang der Credit Suisse verunsichert nun stark. Sie gehörte zu den 30 grössten, systemrelevanten Banken der Welt. Das Bankenbeben in den USA betrifft derzeit noch eine Nischenbranche und kleinere Banken, auch wenn mit der Silicon Valley Bank 200 Milliarden Dollar im Feuer standen und davon lediglich vier Prozent durch die Einlagensicherung abgedeckt waren.

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