In Turkmenistan brennt ein Erdloch seit über 50 Jahren. 2022 kündigte die Regierung an, das wild lodernde Feuer endlich zu löschen. Bis heute geschah jedoch nichts.
Flavia Müller
Mitten in der turkmenischen Karakum-Wüste bei Derweze klafft ein riesiges Loch mit einem Durchmesser von etwa 69 Meter und einer Tiefe von rund 30 Meter. Entstanden ist es wohl 1971 bei Testbohrungen auf der Suche nach Erdgas. Eine Erdhöhle ist aufgrund der Bohrungen vermutlich kollabiert und hinterliess das rund 5350 Quadratmeter grosse Loch, in das die Bohranlage und Ausrüstung der Geologen fielen. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Über weitere Details wird geschwiegen, denn in der Sowjetunion wurden Fehlschläge unter den Teppich gekehrt und geheim gehalten. Man wollte sich keine Blösse geben. Zudem wurde alles, was mit Rohstoffen im Zusammenhang stand, als strategisches Staatsgeheimnis angesehen. Akten existieren darüber – offiziell – keine. Aus Angst, dass giftiges Gas aus dem grossen Erdloch entweichen könnte, wurde beschlossen, es mit einer Gasfackel anzuzünden. Man dachte, das Gas (Methan) würde ausbrennen und in ein paar Tagen wäre alles vorbei. Heute, 53 Jahre später, lodern die Flammen noch immer aus dem Loch.
Das Feuer wandelt Methan, ein schädliches Treibhausgas, in Kohlendioxid um, ein etwas weniger schädliches Treibhausgas. Um das Feuer zu löschen, müsste man mittels einer Horizontalbohrung die Verbindung in die Tiefe verschliessen. Doch ein solches Vorgehen ist extrem kostenintensiv und für ein Land mit geringen finanziellen Ressourcen nicht ohne Weiteres umsetzbar. Die Hitze im Krater kommt erschwerend dazu. Wären die Flammen gelöscht, könnte man das Gebiet anderweitig nutzen und allenfalls auch das Methan gewinnen.
Umweltaspekte
Das brennende Tor zur Hölle, so die Bezeichnung vor Ort, ist aus Umweltsicht erstaunlicherweise nur marginal schädlich, denn das Abflammen des Methans ist sicherer und umweltfreundlicher, als es in die Atmosphäre ausströmen zu lassen. Der Treibhauseffekt eines Methanmoleküls ist nämlich 30-mal so hoch wie der eines CO2-Moleküls. Verglichen mit den grossen Kohlebränden in Indien oder China, die extrem hohe Mengen von CO2 in die Erdatmosphäre schleudern, ohne dass die Energie genutzt wird, hat Derweze einen eher kleinen Effekt auf die Umwelt und einen geringen Anteil im Hinblick auf den Treibhauseffekt.
Selbst wenn das Feuer gelöscht werden kann, sei die Wahrscheinlichkeit gross, dass das Gas später wieder einen Weg an die Oberfläche finden werde, glauben die Experten. Aus touristischer Sicht wäre die Löschung der Flammen eine schlechte Nachricht, denn der Krater ist inzwischen die grösste Besucherattraktion des Landes. Besonders in der Nacht ist das brennende Loch spektakulär anzusehen. Der öffentlich zugängliche Krater lockt unzählige Touristen an, obwohl er schwer erreichbar und zu finden (weil es keine Strassenschilder gibt) und die Anreise beschwerlich ist. 2010 wurde der Krater auch aktiv beworben, um den Tourismus noch mehr anzukurbeln. Der Aufenthalt am Kraterrand ist aber wegen der Hitze und Atmosphäre dort auf Dauer für die Lungen und den Körper nicht förderlich. Im Januar 2022 entschied der turkmenische Präsident Gurbanguly Berdimuhamedow dann auch, die Tourismusattraktion zu stoppen und das Feuer löschen zu lassen. Zur Begründung wurden Umweltargumente, gesundheitliche Bedenken und das Ziel eines verstärkten Erdgas-Exports genannt.
Krater brennt noch Jahre weiter
Dass Gas über feine Kanäle, die sogenannten Vents, zur Erdoberfläche strömt, ist nicht aussergewöhnlich und ein natürliches Phänomen in vielen Sedimentbecken der Erde. Um einzuschätzen, wie lange der Krater noch brennen wird, sind umfangreiche Studien zu den regionalen geologischen Verhältnissen erforderlich. Da offenbar aber eine Verbindung in die Tiefe besteht, durch die weiterhin Methan in nicht sehr grossen, aber doch nennenswerten Mengen Richtung Erdoberfläche in den Krater strömt, könnte das Feuer noch Jahrhunderte weiterbrennen.
Zur Entstehung des Kraters kursieren zahlreiche weitere Theorien. Die einen behaupten, der Krater sei bereits Ende der 1960er-Jahre entstanden und habe Gas und Schlamm gegurgelt, woraufhin man das Gas dann in den 1980er-Jahren angezündet habe. Als eine weitere Möglichkeit wird gesehen, dass der Krater zufällig und natürlich entstand sei, womöglich durch einen Blitzeinschlag. Genau wird man es wohl nie wissen, es sei denn, die «verschwundenen» Akten der Sowjetunion würden irgendwann auftauchen.