Kostenlose Apps bieten digitale Unterhaltung – auch für Tiere. Eine Studie ergab, dass vor allem gefiederte Tiere Spass daran finden. Was für Kinder gilt, hat auch für Tiere Geltung. Das Mass ist entscheidend.
Carl Meissen
Die Forschungsgruppe von Rébecca Kleinberger an der privaten Northeastern University in Boston beschäftigt sich mit einer Frage, die viel Umsatz verspricht: Wie kann man die Nutzung elektronischer Geräte auf Tiere ausweiten? Aus diesem Grund hat dieAssistenzprofessorin am Collage of Arts Media Design ein Videospiel für Vögel entwickelt. Auf einem Touchscreen erscheint ein farbiger Punkt, den der Vogel mit seiner Zunge berühren muss. Gelingt ihm das, erscheint ein weiterer Punkt an einer anderen Stelle und so weiter. Für einen Papagei ist es nicht so einfach, ein so nahes Objekt mit seinen seitlichen Augen und seinem grossen Schnabel zu erfassen. Papageien haben aber eine gute Kontrolle über ihre Zunge. Das Spiel wurde mit einer Vielzahl von Papageienarten getestet – von kleinen Senegalsittichen bis zu grossen Hyazinth-Aras, einschliesslich Kakadus und afrikanischer Graupapageien. Dabei galt es das Spiel auf eine halbe Stunde pro Tag zu beschränken, um die Tiere nicht zu stressen. Aufgrund dieser Testphasen konnte die Software optimiert und mit Geräuschen für erfolgreiche Aktionen ergänzt werden. Auch ein Knopf zur Beendung des Spiels wurde eingeführt, wenn die Tiere die Spiellust verlieren. Um die Vögel bei Laune zu halten, erhielten sie während der Spieltests
Obststücke. Auch als diese Belohnung immer stärker verzögert wurde, blieben die Tiere beim Spielen. Offenbar hatten sie Spass daran, selbst ohne Belohnung.
Ende 2023 stellte Rébecca Kleinberger eine weitere Forschungsstudie vor, wonach sich Vögel auch gerne gegenseitig anrufen. 18 Papageien wurden darauf trainiert, über Touchscreens Videotelefonate mit ihren Artgenossen zu führen, indem sie deren Bild mit der Zunge berührten. Die Papageien begriffen schnell, dass es sich bei dem, was sie auf dem Bildschirm zu sehen bekamen, um einen Artgenossen handelte. Sie verbrachten viel Zeit damit, die Laute und das Verhalten der anderen zu beobachten und zu imitieren. Es wurde auch festgestellt, dass einige Papageien mehr Anrufe tätigten als ein Durchschnittsmensch. Bei anderen dienten die Videoanrufe dazu, besondere Beziehungen zu schaffen, wie etwa zwischen zwei älteren Papageien. Papageien leben in freier Wildbahn in dichten Schwärmen mit einer grossen Vielfalt an sozialen Interaktionen und Kommunikationsmöglichkeiten. Rébecca Kleinberger hat ihr Studium an der École National des Arts et Métiers in Paris mit einem Master in Maschinenbau und am University College London mit einem Master of Research in Virtual Environments, Imaging and Visualization abgeschlossen. Sie hat auch Erfahrung in der Schafbetreuung und der Igelaufzucht und dadurch einen besonderen Zugang zu Tieren.Digitale Spielkameraden für Hunde und Katzen gibt es bereits seit einigen Jahren. Es handelt sich um Apps für Mobiltelefone und Tablets, die auf der Idee basieren, ein sich bewegendes Objekt mit der Pfote oder der Schnauze zu fangen. In den kostenlosen Versionen ist die Beute ein leuchtender Punkt oder eine Feder, aber gegen eine Gebühr können Upgrades vorgenommen werden, um die Beute realistischer erscheinen zu lassen, z. B. eine quietschende Maus. Komplexere Versionen enthalten neben dem Tablet auch einen Spender für Belohnungen – kleine Imbisse. Dadurch soll der Geist von Tieren, die allein zu Hause bleiben, stimuliert werden. Lisa Wallis von der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat 2017 in einer Studie dargelegt, dass ältere Hunde im Rahmen von Videospielen ihre Stimmung und ihre Beziehung zu ihrem Besitzer verbessert hätten. Laut Wallis könnten Videospiele dazu beitragen, den Geist älterer Hunde aktiv zu halten. Kritiker geben aber zu bedenken, dass Spiele, die nur auf dem Sehen und nicht auch auf dem Riechen und der körperlichen Bewegung basieren, kaum gesund sein könnten.