volodymyr hryshchenko
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Die wieder zunehmende Armut des Globalen Südens hat viele Ursachen. Hätten Frauen die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie Männer, wäre ein anderer Umgang mit diesen Auslösern möglich. Deshalb ist die Frauenförderung für die Armutsbekämpfung fundamental. Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes mit 100 000 Mitgliedern, führt hier aus, warum es inakzeptabel ist, dass auf Kosten dieser Förderung eine Mehrheit im eidgenössischen Parlament Einsparungen will.

 

In der Familienarbeit übernehmen Frauen traditionellerweise wichtige Aufgaben, die auf den Werdegang der kommenden Generationen einen entscheidenden Einfluss haben: Eine Mutter, die ihre eigenen Grundbedürfnisse abdeckt und in finanziell stabilen Verhältnissen lebt, kann wesentlich mehr dazu beitragen, dass ihre Kinder gute Zukunftsaussichten haben. Paradoxerweise sind es gleichzeitig die Frauen, die am meisten von extremer Armut betroffen sind. Denn 70 Prozent der in grosser Armut lebenden Menschen sind Frauen. Es muss unbedingt Abhilfe geschaffen werden, dass sie in ihren Ländern sozial und rechtlich diskriminiert sind und in Niedriglohnsektoren (Textilindustrie oder Care-Arbeit) ausgebeutet werden.  

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist traditionell eine verlässliche Partnerin, wenn es darum geht, weltweit auf die Geschlechtergerechtigkeit hinzuarbeiten, was das fünfte Ziel der Agenda 2030 ist. Die Gleichstellung der Geschlechter ist in der aktuellen Strategie der internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz für die Periode 2021 bis 2024 als Transversalthema definiert, das bei allen Aktivitäten der Schweizer IZA berücksichtigt werden soll. Das zeigt, dass in der Schweizer Auslandshilfe der Bedeutung einer Förderung von  Frauen Rechnung getragen wird. Deswegen ist es für mich völlig unverständlich, dass Bundesrat und Parlament ab 2025 Kürzungen in Milliardenhöhe bei der IZA vornehmen wollen. Denn der Bundesrat plant, von 2025 bis 2028 insgesamt 1,5 Milliarden Franken der Entwicklungshilfegelder für die Unterstützung der Ukraine zu verwenden. Das ist mehr, als ganz Subsahara-Afrika momentan von der Schweiz erhält. Zudem wurde in der Sommersession in der kleinen Kammer der Antrag des Glaner FDP-Ständerats Benjamin Mühlemann zur Kompensation der erhöhten Rüstungsausgaben durch Kürzungen von zwei Milliarden Franken bei der IZA bedauerlicherweise angenommen.  

Aus friedenspolitischer Betrachtung ist es bedenklich, in einer immer stärker polarisierten Welt alles auf eine militärische Karte zu setzen, statt präventive und sozialwissenschaftliche Ansätze der Konfliktbewältigung anzuwenden, wie dies die IZA mit ihrer Friedensförderung tut. Aus diesem Grund ist es absolut unverantwortlich, den krisengebeutelten Regionen in Afrika oder im Mittleren Osten die benötigten Mittel für eine nachhaltige Entwicklung zu entziehen. Einem Land wie dem Sudan, das mitten in einer humanitären Katastrophe steckt, die Unterstützung von Frauen einfach zu kürzen ist kontraproduktiv. Frauen in konfliktbetroffenen Regionen sind besonders gefährdet, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden. Mädchen und Frauen müssen geschützt und gestärkt werden, um die Gewaltspirale zu durchbrechen. Denn es sind Frauen, die in Krisengebieten unter schwierigsten Umständen ein Überleben ermöglichen.

Unklar bleibt, wie Bundesrat und Parlament die radikalen Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit verantworten wollen. Der Rechenschaftsbericht zur auslaufenden Strategieperiode zeigt klar auf, welche positiven Effekte die Schweizer Unterstützung für die Gleichstellung der Frauen hat: Fast eine halbe Million Menschen (70 Prozent davon Frauen) profitierten von Hilfsangeboten bei sexueller Gewalt. Über zwei Millionen Geburten wurden von geschultem Personal begleitet. 780 Millionen Frauen wurde der Zugang zu beruflicher Aus- oder Weiterbildung ermöglicht. Drei Beispiele von zahlreichen Erfolgen.

Dieses Engagement zu stoppen wäre für die Schweiz äusserst beschämend. In einer Zeit, in der religiöser Extremismus wieder zunimmt, unter dem Mädchen und Frauen besonders zu leiden haben, ist es inakzeptabel, wenn sich die Schweiz aus rein finanziellen Gründen aus der Verantwortung zieht. Ich hoffe deshalb sehr, dass die Mehrheit der Politiker und Politikerinnen im Bundeshaus an unseren Werten Verantwortung und Solidarität festhält, klug entscheidet und so die massiven Kürzungen in der IZA abwendet.  

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