Anne Challandes
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Mein achtsamer Blick:

Jan Gürke, Projektleiter Kampagne «Wildnis – mehr Freiraum für die Natur!», Pro Natura

Anzahl und Dimension heutiger Wildnisgebiete sind ein Armutszeugnis  

Ursprüngliche Lebensräume, in denen sich die Natur frei entwickeln kann, sind entscheidend für den Erhalt der bedrohten Biodiversität, für die Forschung, aber auch als Erholungsraum. An der Wildnisfachtagung am 16. November in Biel diskutierten 70 Fachleute aus Naturschutz, Behörden und Wissenschaft darüber, was es braucht, um die letzten grossen naturnahen Landschaften der Schweiz zu bewahren und «wilde Ecken» im Siedlungsraum zu fördern. Ihre Erkenntnis: Es braucht einen besseren Schutz der verbleibenden Naturlandschaften in der Schweiz. Diverse Erschliessungsprojekte für Tourismus und Energiegewinnung bedrohen diese Wildnislandschaften. Es ist ein Armutszeugnis, dass der Schweizerische Nationalpark das einzige grosse geschützte Wildnisgebiet der Schweizer Alpen ist. Um die akute Biodiversitätskrise abzuwenden, braucht es unbedingt mehr solcher Gebiete mit einem umfassenden, langfristigen Schutz.  

Gleichzeitig seien auch kleine «wilde Ecken» mit freier Naturentwicklung im Siedlungsgebiet wichtig, wie André Stapfer, Mitglied der wissenschaftlichen Fachgruppe Ökologische Infrastruktur, in seinem Vortrag an der Fachtagung betonte. «Sie dienen als Trittsteine, damit schweizweit ein Netz naturnaher Räume entstehen kann.» In einem Umfeld, in dem Wälder oft auf ihre Produktions- und Schutzfunktion reduziert würden, müsse auch der ökologische Wert für bedrohte Arten anerkannt werden, forderte Thibault Lachat, Professor an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften. «Gerade für unser Tier des Jahres, den Gartenschläfer, sind wilde Ecken und Wälder überlebenswichtig», unterstrich Sara Wehrli von Pro Natura, die die neue Verbreitungskarte aus dem laufenden Citizen-Science-Projekt vorstellte. 

«Kleine und grosse Wildnisgebiete leisten auch einen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung», ergänzte Nicole Bauer von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Sophie Chanel, Leiterin des Parc Naturel du Jorat, zeigte, wie es im preisgekrönten Park vor den Toren Lausannes gelingt, Wildnisschutz und Erholungsbedürfnis zu verbinden. Dass die Bedürfnisse der Bevölkerung für den Schutz der Wildnis auch in den Alpen zentral sind, darüber schliesslich berichtete Sebastian Moos von Mountain Wilderness Schweiz. Anhand des Projekts «Wildnis-Dialog Kandersteg» erläuterte er, wie die Wertschätzung für Wildnis im Berggebiet gefördert werden kann. Eine Wertschätzung, die sich nach der hochkarätigen Tagung in Biel hoffentlich bald auch in Politik und Praxis niederschlägt.  

Jan Gürke, Projektleiter Kampagne «Wildnis – mehr Freiraum für die Natur!», Pro Natura

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