Anne Challandes
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Mein achtsamer Blick:

Reto Baliarda ist verantwortlicher Redaktor bei der Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI)

 

In Nigeria geschieht ein stiller Völkermord in Zeitlupe

Nigeria ist die grösste Volkswirtschaft Afrikas. Das rohstoffreiche Land mit dem mehrheitlich muslimischen Norden und christlichen Süden wird seit Jahren von einer brutalen religiösen Verfolgung heimgesucht. In keinem anderen Land werden heute so viele Christen wegen ihres Glaubens getötet wie in Nigeria. Zwischen dem 1. Oktober 2020 und 30. September 2021 wurden 4650 Christen umgebracht. Im Vorjahr waren es etwa 3500 Christen. 

Verantwortlich für diese Massenmorde, die von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt bleiben, sind islamistische Terroristen. Die Miliz Boko Haram, die vor allem im Nordosten wütet, ist die bekannteste Terrorgruppe. Dazu gehört auch die Massenentführung von 274 christlichen Mädchen aus Chibok am 15. April 2014, die in die internationalen Schlagzeilen gelangte. 

Doch nicht nur Boko Haram und die davon abgespaltene Organisation Islamic State West African Province (ISWAP) versetzen die nigerianischen Christen in Angst und Schrecken. Die grösste Gefahr bilden heute radikalisierte muslimische Nomaden des Fulani-Stammes, die ins Zentrum des Landes vordringen. Die Islamisten überfallen christliche Dörfer und töten selbst Frauen und Kinder. Sie besetzen die Felder und Dörfer. Besonders betroffen von diesen Übergriffen sind die Bundesstaaten Kaduna, Plateau und Benue. 

Eine dieser zahllosen Attacken ereignete sich am 31. Juli 2022 in Plateau. Die Angreifer, höchstwahrscheinlich Fulani-Islamisten, drangen ins Dorf Fusa ein und töteten sieben Christen, darunter vier Kinder. Dazu erklärte ein christlicher Lokalpolitiker von Plateau, die Angreifer hätten Nachrichtendiensten zufolge vor dem Überfall Signale gesendet, und die Sicherheitsbehörden hätten nichts unternommen. 

Selbst der Süden Nigerias bleibt vor islamistischen Attacken nicht verschont. Dies belegt ein Bombenattentat in einem katholischen Gottesdienst, der am Pfingstsonntag, 5. Juni 2022, in der südwestlichen Stadt Owo verübt wurde. Über 40 Gläubige wurden getötet. 

Die Fulani-Islamisten haben bei ihren tödlichen Überfällen kaum eine Strafe zu befürchten. Der Präsident von Nigeria, Muhammad Buhari, ist selbst ein Fulani und spielt diese Schreckenstaten herunter. 

Die Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI) leistet für die Opfer humanitäre Hilfe und setzt alles daran, ihnen eine Stimme zu geben, die von der internationalen Gemeinschaft gehört wird. Im Januar 2020 sprach CSI eine Warnung vor einem Genozid an Christen in Nigeria aus.  

Am 21. Juni 2022 übergab CSI mit 13 nigerianischen Menschenrechtsorganisationen eine vertrauliche Petition an die UNO, die sich auf die Gewalt gegen Christen in Nigeria bezog. Da auch fünf Wochen später das Büro von Generalsekretär António Guterres nicht reagiert hatte, beschlossen die Unterzeichner, die Petition zu veröffentlichen. In einem Brief an Guterres warnte CSI zudem, dass Nigeria an der Schwelle zum Völkermord stehe und nun dringend gehandelt werden müsse. 

 

Reto Baliarda ist verantwortlicher Redaktor bei der Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI). Er schreibt regelmässig über die Gewalt gegen Christen in Afrika, im Nahen Osten und in Südasien.

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