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Anne Challandes
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Mein achtsamer Blick:

Karin Hochl, Rechtsanwältin

Mutter ist nicht gleich Mutter​

Das Bundesgericht hat im Sommer eine Beschwerde des Bundesamtes für Justiz gegen die Anerkennung einer georgischen Geburtsurkunde gutgeheissen, auf der die Wunscheltern als Eltern aufgeführt sind. Es hat entschieden, dass die Leihmutter die rechtliche Mutter sei und somit die Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. Das Kind muss deshalb ihren Namen tragen. Der Wunschvater kann über eine Vaterschaftsanerkennung sein Vater werden, wohingegen die Wunschmutter – ob genetisch verwandt oder nicht – ein Adoptionsverfahren anstreben muss.  

Die Verweigerung der Anerkennung der Wunscheltern ist mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Sie verletzt auch fundamental die Interessen der Leihmutter, die trotz gültigen Verzichts auf ihre Elternrechte in ihrem Heimatstaat Georgien als rechtliche Mutter in das schweizerische Zivilstandsregister eingetragen wird. Die Leihmutter wird faktisch zu einer Zwangselternschaft verpflichtet, obwohl sie nicht genetisch mit dem Kind verwandt ist und sich vor allen Instanzen als Partei dagegen wehrte. Trotzdem wird sie als rechtliche Mutter betrachtet und ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge.  

Das Schweizer Verbot der Leihmutterschaft bezweckt in erster Linie den Schutz der Leihmutter vor einer Instrumentalisierung und dient dem Kindeswohl. Das Bundesgericht verkehrt aber diesen Schutz genau ins Gegenteil, indem es die Leihmutter und das Kind für die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft bestraft.  

Erst nach erfolgter Eintragung des Kindes im Zivilstandsregister mit der Leihmutter kann der genetische Wunschvater das Kindesverhältnis mittels Kindesanerkennung herstellen. Demgegenüber steht der Wunschmutter nur der Weg mittels Stiefkindadoption offen. In Fällen, wo beide Wunscheltern genetisch mit dem Kind verwandt sind, führt dies zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots: Der genetisch verwandte Vater kann das Kindesverhältnis über eine Kindesanerkennung ab Geburt begründen, während die genetisch verwandte Mutter ein zeitraubendes und kostspieliges Adoptionsverfahren anstreben muss. Einer genetisch verwandten Wunschmutter wird somit das rechtliche Kindesverhältnis ab Geburt verwehrt, was nicht nachvollziehbar ist. 

Karin Hochl ist Rechtsanwältin und Partnerin einer Kanzlei in Winterthur und auf Rechtsfragen alternativer Familien spezialisiert. 

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