Pfui, igitt, ächz, buh!
In der Sprache gibt es viele Lautäusserungen für Missfallen, Ekel oder Unmut. Die Ausdrücke dienen dazu, Gefühle in der gesprochenen Sprache zu vermitteln. Sie haben sich aber schon lange in der geschriebenen Sprache etabliert und erfahren nun moderne Ergänzungen in den sozialen Medien.
Christoph Gutknecht
Seit eh und je geistert das kleine Wörtchen pfui durch die deutschsprachige Literatur. «Pfui dich, Luther, mit deiner Lehr!/Wie bist gar so verlogen», speit der österreichische Pfarrherr Simon Reutinger von Hiltzingen bereits 1583 per Pamphlet dem evangelischen Reformator entgegen. In Goethes Faust I (1808) mahnt Brandner in Auerbachs Keller: «Pfui, ein garstig Lied, ein politisch Lied, ein leidig Lied.» Und im 1879 edierten «Woyzeck»-Fragment Georg Büchners singt Käthe: «O pfui, mein Schatz, das war nicht fein!/Behalt den Taler und schlaf allein!»
Was hier als «pfui» geäussert wird, gehört grammatikalisch zu einer Untergruppe der unveränderlichen Partikeln: zu den Interjektionen. Der im 16. Jahrhundert nach dem lateinischen interiectio gebildete Terminus heisst wörtlich Zwischenwurf. Befragt man Linguisten zur exakten Zahl der Interjektionen, so jammern sie – seufz! –, die Klasse sei offen, wandel- und erweiterbar. Erbittet man eine genaue Definition, so stöhnen sie – ächz! –, es gehe um eine satzwertige Partikel, die keine syntaktische Funktion in einem Satz einnehme, sondern selber einen Satz konstituiere. Seufz und ächz zählen zu den auf dem Inflektiv eines Verbs basierenden Kommentarwörtern. So wie mampf oder würg illustrieren sie die Handlung oder Einstellung eines Teilnehmers der Sprechsituation. Beeinflusst von Comics nutzen Jugendliche sie gern, kreieren Neologismen und lieben Rufe wie ey! und boah! beim Chillen oder Chatten – dort auch mit Emoticons wie :-).
Es gibt etliche laut- bzw. geräuschimitative Interjektionen: als Lock- und Scheuchlaute (hü!, brr!, miez-miez!), für Tierlaute (muh, kikeriki), für Instrumenten- und Geräteklänge (peng, trara, bimbim), für menschliche Laute (hatschi!, haha!, äh!) sowie als Dialogwörter (buh!, tja, hm-hm). Zu den zwei letzten Gruppen: Wird inhalierte Luft infolge einer Schleimhautreizung krampfartig-geräuschvoll durch Nase und Mund ausgestossen, spricht man vom Niesen. Dass sich das von Sängern und Schauspielern gefürchtete Schallereignis durch hatschi! nur dürftig wiedergeben lässt, kennt man – von sich und den Umsitzenden.
Das Dialogwort bu(h) imitiert makabres Gebrüll, etwa beim Erschrecken von Kindern. In der Idylle «Die Freigelassenen» (1775) von Johann Heinrich Voss findet die bange Frage Hennings: «Wer da? du weisse Gestalt, die im Abendrote daherwankt zwischen dem Haselgesträuch» Sabines beschwörende Antwort: «Ich komm’ als höllischer Geist! buh!»
Wer im Publikum den Inhalt, die Qualität der Darbietung oder die agierende Person ablehnt, äussert gern seine Entrüstung. Jeder kennt aus Oper, Theater und Parlament die Buhrufe und das Verb (aus-)buhen. Wer im politischen Leben steht, wird schnell zum Buhmann der Nation, wobei die weibliche Form bis jetzt nur in einem Kommentar über die ehemalige französische Präsidentschaftskandidatin, die von April 2014 bis Mai 2017 Ministerin unter Staatspräsident Hollande war, angewandt wurde: «Ségolène Royal wird zur roten Buhfrau.»
Zu den Interjektionen, die Affekte des Sprechers markieren, gehören neben den (auf und vor Opernbühnen nicht unwichtigen) Appellwörtern (hallo!, heda!, pst!, toi, toi, toi!) die Empfindungswörter (ah!, oh!, igitt!, pfui!, juhu!, autsch!, hoppla!). Sie verdeutlichen Freude und Lust sowie Empörung, Missbilligung, Hohn oder – Ekel, so wie bei Franz in Schillers «Räubern» (I, 3): «Pfui, pfui, mir ekelt.» Das Empfindungswort gitt(e) für Abscheu wird (speziell in Norddeutschland) oft mit i- oder ä- verbunden, redupliziert als igitt(igitt) bzw. ägitt(ägitt) und spekulativ von Etymologen als verhüllend für oh Gott gedeutet. Auch Günter Grass grantelte in «Ein weites Feld» (1995): «Neuruppin? Igittegitt!»
Interjektionen zum Ausdruck des Missfallens haben Entsprechungen in etlichen Sprachen, ohne dass eine Entlehnung vorliegen muss: lateinisches fu, französisches fi, jiddisches fe, englisches fie etc. Das Mittelhochdeutsche um 1200 kennt phiu und phi, doch erst das 1482 im Frühneuhochdeutschen belegte pfuy und unser heutiges pfui imitieren mit dem anlautenden Verschluss- und dem folgenden Reibelaut als Ruf des Abscheus deutlich das laute Geräusch des Ausspeiens. Das Gefühl wird durch Kombinationen wie pfui Teufel!, pfui Dübel!, pfui Spinne! oder pfui Kuckuck! verstärkt. Autsch!