volodymyr hryshchenko
  • Facebook
  • Twitter

In seinen ersten Jahren als KGB-Spion war Wladimir Putin ab 1985 bis zum Mauerfall in Dresden aktiv. Jetzt wurden die damaligen DDR-Dokumente erneut gelesen, um festzustellen, ob es eine Putin-Methode gibt.

Anton Ladner

1985 trat der 33-jährige Putin seinen ersten Auslandseinsatz als KGB-Agent in Dresden an. Alles sah nach einem schönen Aufenthalt aus. Seit zwei Jahren war er mit Ljudmila Schkrebnjowa verheiratet, hatte eine Tochter und würde bald Vater eines zweiten Kindes werden. Offiziell war Putin zuständig für das deutsch-sowjetische Freundschaftshaus in Leipzig. Das war aber nur Tarnung, seine zehn Jahre beim sowjetischen Geheimdienst wurden mit der Führung der sowjetischen Spionagezentrale in Dresden vergoldet. Hier konnte er in Ruhe seine Techniken zur Rekrutierung von Infiltratoren im Westen entwickeln und einen magischen Zirkel aufbauen. Das geht aus den noch vorhandenen Dokumenten hervor, die in Dresden im Bundesarchiv aufbewahrt werden. Sie wurden von Hubertus Knabe, ehemaliger Leiter des Stasi-Unterlagen-Archivs in Berlin-Hohenschönhausen, gesichtet, um vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Knabe studierte rund 500 Seiten Dokumente und Fotos. In einem Artikel, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien, erläutert er,welche Details aus diesen Papieren hervorgehen, die auf Putins Weg als Autokrat hindeuten.

 

Eine der Hauptaufgaben Putins bestand darin, Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen, nachdem er sie genau ausgewählt und studiert hatte. Ihre Aufgabe war es, die militärischen Ziele der NATO und der Vereinigten Staaten zu identifizieren. Laut Knabe geht aus den Dokumenten hervor, dass der damalige KGB-Chef in Dresden 1986 auch an einem geheimen Plan des Stasi-Chefs Erich Mielke mitbeteiligt war. Ziel dieser Operation war es, einen Kern von Agenten finanziell und operativ aufzubauen, falls die DDR zusammenbräche. Es handelte sich um eine Struktur, die alle Stürme überleben sollte.  

Wladimir Ussolzew, der sich mit Putin in Dresden ein Büro geteilt hatte, schreibt in seinem Buch «Dienstkollege», das 2003 erschienen ist, Putin habe Informationen über die amerikanischen Special Forces in Bad Tölz sammeln sollen. Er sei dabei aber erfolglos geblieben. Gelungen sei es ihm hingegen, ausreisewillige DDR-Bürger als Quellen zu gewinnen, die Sympathien für Michail Gorbatschow hegten.

Im November 1989, als die Berliner Mauer fiel, erlebten auch die Stasi und der KGB in Dresden Momente der Panik. Die Agenten begannen in der Stasi-Zentrale, die Archive zu zerstören, worauf eine entfesselte Bevölkerung anrückte, um das belastende Material zu retten. Es waren die Beweise für eine systematische Ausspionierung, Verfolgung und Unterdrückung. Das KGB-Büro blieb von diesem Volkszorn nicht verschont. Putin drohte den Menschen mit dem Befehl zum Schiessen, wenn sie nicht verschwinden würden. In mehreren Berichten über diese Situation wird davon ausgegangen, dass Putin damals Todesangst durchgemacht habe, die prägend für ihn gewesen sei. Knabe nimmt an, Putin sei vom Fall der Mauer schockiert und nicht einmal der KGB auf das Ende der DDR vorbereitet gewesen. Es ging ja plötzlich alles unfassbar schnell.   

Einige von Putins engen Gefolgsleuten stammen aus jener Zeit, aus dem damaligen magischen Zirkel. Putin hatte in Dresden gelernt, wie man sie an sich bindet und wie man sie manövriert. Später wurden sie in Russland ohne Expertise zu Industriekapitänen, Topmanagern, Oligarchen. Und weil sie so schnell zu gigantischen Vermögen kamen, warfen sie auch entsprechend das Geld zum Fenster hinaus. Davon zeugen die grotesk teuren Jachten, von denen sich manche dieser Putin-Aufsteiger gleich mehrere kauften.

Aus den Archiv-Dokumenten geht hervor, dass Putin in jenen Jahren eine rasante Karriere als Geheimagent gemacht hat. Seitens der Dolmetscherin von Putins Frau Ljudmila liegen auch Einblicke in die damalige Ehe vor. Die Dolmetscherin war eine Spionin für den deutschen Bundesnachrichtendienst mit dem Decknamen Lenchen. Sie berichtete, dass die Ehe alles andere als idyllisch gewesen sei. Putins Frau habe ihr anvertraut, dass er sie betrogen und auch geschlagen habe.

Lenchen wuchs in einer baltendeutschen Familie auf und sprach perfekt Russisch. Sie wurde Chefdolmetscherin in der Dresdner KGB-Residentur, wo Putin mit sieben sowjetischen Geheimdienstlern arbeitete, nur einige hundert Meter entfernt von der Stasi-Zentrale in der Bautzener Strasse. In den Achtzigerjahren wurde sie vom Bundesnachrichtendienst angeworben. Lenchen soll heute mit einer neuen Identität in Süddeutschland leben und ein Kind von einem KGB-Oberst haben – von Putins Chef in Dresden.

Share This