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Die Benzinpreise – wie auch die Temperaturen steigen konstant an. Ein Schweizer Start-up hat nun ein Verfahren entwickelt, um synthetischen Treibstoff mittels Sonnenkraft herzustellen. Der umweltfreundliche Treibstoff hat das Potenzial, die gesamte Transport- und Energie-Industrie zu revolutionieren. 

von Flavia Müller

Die Verkehrsindustrie ist für etwa 25 Prozent – rund acht Milliarden Tonnen – der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen pro Jahr verantwortlich. CO2 ist das Treibhausgas, das am stärksten zur globalen Erwärmung beiträgt. Die Ersetzung fossiler Kraftstoffe durch Solarkraftstoffe ist daher eine der dringendst benötigten Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Hinter der Technologie, die aus Sonnenlicht und Luft flüssige Treibstoffe herstellt, stehen Forschende der ETH Zürich. Auf dem Dach des Maschinenlaboratoriums der ETH Zürich haben sie im Juni 2019 erstmals weltweit die gesamte thermochemische Prozesskette zur Herstellung der solaren Treibstoffe unter realen Bedingungen demonstriert – mit einer solaren Mini-Raffinerie. Die Mini-Raffinerie stellt aktuell Methan her – einen Deziliter am Tag. Sie könnte aber eine Vielzahl der heute gebräuchlichen fossilen Treibstoffe synthetisch produzieren. Die hergestellten Treibstoffe sind CO2-neutral: Bei der Verbrennung wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie bei der Herstellung der Umgebungsluft entzogen wurde. 

Eine Schweizer Erfindung 
Aus den Forschungen entstand mit Synhelion das erste Unternehmen, welches synthetische Treibstoffe mittels Sonnenkraft im grossen Stil herstellt. Die Schweizer Firma nutzt dafür ein solar-thermochemisches Verfahren, das Prozesswärme aus konzentriertem Sonnenlicht verwendet. Die Anlage von Synhelion entzieht der Umgebungsluft CO2 und Wasser und produziert daraus Solarbenzin, Solardiesel und synthetisches Flugbenzin. Damit die Herstellung dieser Treibstoffe auch dann möglich ist, wenn die Sonne nicht scheint, braucht es einen Hochtemperatur-Wärmespeicher. Diesen hat Synhelion zusammen mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa entwickelt.  

Die Produktion läuft, und bis 2030 sollen bereits 875 Millionen Liter Solartreibstoff produziert werden – das entspricht ungefähr der Hälfte des schweizerischen Treibstoffverbrauchs. Als erstes Transportunternehmen setzt die Swiss ab 2023 auf die Synfuels, wie die synthetischen Treibstoffe heissen. Der Clou dabei: Synfuels funktionieren wie normales Kerosin und es braucht keine neuen Motoren oder spezielle Tanks. Die Flugzeuge tanken einfach neu die Synfuels statt Kerosin – und heben dann CO2-neutral ab. 

Klimaneutraler Treibstoff
Zu den synthetischen Kraftstoffen gehören nebst den Solarkraftstoffen auch E-Kraftstoffe. Auch Begriffe wie «Biokraftstoff», «Synfuel» und «E-Fuel» werden oft synonym verwendet. Der Unterschied bei den diversen Treibstoffen liegt aber in der Herstellung, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit.
 

Solarkraftstoffe sind nicht nur klimaneutral, sondern enthalten auch weniger Verunreinigungen, was bedeutet, dass sie bei der Verbrennung weniger schädliche Gase freisetzen.  

Die Solarfelder für die Produktion der Synfuels werden auf nicht bebaubaren Flächen installiert. Eine Solaranlage von einem Quadratkilometer Fläche könnte pro Tag 20 000 Liter Kerosin produzieren. Laut den ETH-Forschenden liesse sich der Kerosin-Bedarf der gesamten Luftfahrt also mit einer Anlage von der Fläche der Schweiz oder einem Drittel der Mojave-Wüste in Kalifornien decken. Dass es im grossen Stil machbar ist, zeigte bereits die Demonstration im Solarturm des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Jülich, Deutschland. Die 80 000 Quadratmeter grosse Solaranlage verfügt über mehr als 2000 Spiegel, die das Sonnenlicht auf die beiden Solartürme konzentrieren. Eine zweite, 1000 Quadratmeter grosse Test-Anlage steht in Madrid und weitere Anlagen sind geplant, um die Produktion zu vergrössern. 

Bislang sind drei Methoden zur Herstellung von erneuerbarem Synthesegas und damit von klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen bekannt: Biokraftstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden, E-Kraftstoffe, die mit erneuerbarem Strom erzeugt werden, und Solarkraftstoffe, hergestellt aus Sonnenwärme. Bei allen drei Verfahren wird hauptsächlich Synthesegas verwendet, ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. 

Im Gegensatz zu anderen synthetischen Treibstoffen konkurrenziert das Sonnenkerosin (Sun-to-liquid) aber nicht mit anderen Bedürfnissen. Biofuels stehen aber in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie – und der Strom, der für E-Fuels aus Wind- und Wasserkraft gewonnen wird, könnte auch anderswo verwendet werden. 

So wird aus Sonne Treibstoff
Fossile Kraftstoffe bestehen aus Ketten der Elemente Wasserstoff (H) und Kohlenstoff (C), also aus Hunderten von verschiedenen Kohlenwasserstoffmolekülen. 

Der Schlüssel zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe ist Synthesegas, ein Gemisch aus Wasserstoff (H) und Kohlenmonoxid (CO). Und weil Kraftstoffe nichts anderes sind als Kohlenwasserstoffketten unterschiedlicher Länge, lässt sich jede Art von Solarkraftstoff herstellen: Kerosin, Benzin, Diesel, Methanol, Wasserstoff, synthetisches Rohöl und vieles mehr. Die Sonneneinstrahlung wird über ein Spiegelfeld gebündelt, in einem Solarreaktor gesammelt und auf eine Temperator von über 1500 Grad gebracht. Die braucht es, um Sonnenkerosin herzustellen. Dieser Reaktor wandelt CO2 und Wasser zu Syngas um, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. In einem weiteren Prozess wird Syngas zu verschiedenen Kohlenwasserstoffen verarbeitet, zu den heute gebräuchlichen Treibstoffen. 

Das am Anfang dazu benötigte CO2 und das Wasser werden direkt aus der Umgebungsluft gewonnen. Als Energiequelle für den ersten Reaktionsschritt kann zudem die Abwärme des Solarreaktors genutzt werden. 

 

 

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