Nach der Frankfurter Buchmesse begrüsst Zofingen zu den Literaturtagen vom 25. bis 27. Oktober Kulturgäste aus Italien. Programmleiterin Julia Knapp erklärt im Interview, warum das ein Glücksfall ist.
Urs Heinz Aerni
Julia Knapp, Sie gestalten die fünfte Ausgabe der Literaturtage Zofingen, diesmal mit Italien als Gastland. War es für Sie eine grössere Qual der Wahl als im Vergleich zu Slowenien im letzten Jahr?
Ja, das war es tatsächlich. Die Literatur Sloweniens galt es für mich neu zu entdecken, beim Gastland Italien ist die Sachlage eine andere. Ich habe schon viele italienische Autorinnen und Autoren gelesen, die mit auf die Wunschliste für die Vorbereitung kamen.
Und wie gingen Sie bei der Auswahl von Namen und Büchern vor?
Ganz einfach, wir wählten gute Bücher und vielversprechende Namen aus, egal, ob die auf irgendeiner Einladungsliste in Frankfurt stehen. Mit Italien ist es ein Glücksfall.
Ihr Festival präsentiert nicht nur Literatur der belletristischen Sorte, auch Sachbücher und Biografien sind dabei. Was macht für Sie ein Buch zu einem guten?
Ein gutes Buch unterhält mich im besten Sinne: Es nimmt mich so gefangen, dass ich weiterlesen möchte, es vermittelt mir inhaltlich etwas Neues oder präsentiert mir etwas Altbekanntes in einer sprachlichen Schönheit, hinter der der Plot zurücktritt.
Wie viel Sympathie für die Person ist auch ausschlaggebend, damit sie eingeladen wird?
Wenn ich über einen Autor, eine Autorin bereits aus Kollegenkreisen gehört habe, dass es sich um eine ausgeprägte Diva, einen Trunkenbold oder einen narzisstischen Egomanen handele, dann geht keine Einladung nach Zofingen raus – auch zur Entlastung des Teams. Dafür ist unser Festival zu klein und unsere Struktur zu familiär. Wir haben keine Kapazität für die Betreuung überkomplizierter Gäste, und da das Engagement des Organisationskomitees zudem viel Freizeitarbeit beinhaltet, muss die Arbeit für alle auch Freude machen!
Sie stammen aus Süddeutschland, leben schon einige Jahre mit Ihrer Familie in der Schweiz, moderieren und veranstalten auch an anderen Orten rund um das Thema Bücher. Wie erleben Sie die Entwicklung des Interesses an Lesungen und Gesprächen in der Buchbranche?
Nach der Coronapandemie hatte ich das Gefühl, dass das Publikum regelrecht ausgehungert war nach echten Veranstaltungen mit realen Menschen, allerdings auch weniger planungsfreudig. Ich empfinde es immer noch so, dass das Interesse definitiv da ist, aber die Bereitschaft, sich durch einen frühzeitigen Ticketkauf verbindlich für eine Veranstaltung zu entscheiden, geringer wurde.
Eine Erfahrung, die nicht nur Sie machen.
In der Tat, es ist ein kleines Trostpflaster, denn im Austausch mit anderen Kulturveranstaltern – nicht nur im literarischen Sektor – höre ich dasselbe, mit der Kurzfristigkeit haben alle zu kämpfen. Es wäre schön, würde das Publikum realisieren, dass Veranstaltungen im Fall von zu wenig Ticketreservierungen oftmals abgesagt werden müssen.
Die jährliche Realisierung der Literaturtage in Zofingen und deren Unterstützung durch Behörden, Kulturämter, aber auch Privatwirtschaft sind nicht selbstverständlich. Wie zuversichtlich sind Sie?
Um es mit dem wunderbaren Herbert Achternbusch zu sagen: «Du hast keine Chance, also nutze sie!» Satire beiseite: Die Krisen der vergangenen Jahre sind natürlich an der Kulturförderung nicht spurlos vorübergegangen und die Luft wird immer dünner – generell für die Förderung von Kultur, aber auch was die Rahmenbedingungen angeht.
Was meinen Sie damit?
Bei vielen Stiftungen müssen crossmediale Projekte eingereicht werden, die eine Verquickung verschiedener Kunstformen realisieren. Normale Lesungen und unaufgeregte Gespräche über einzelne Bücher haben es in der Förderlandschaft immer schwerer, da sie nicht als innovativ gelten. Ich bedaure das sehr, da die Qualität des literarischen Werks und nicht die Innovation der Vermittlung auf der Bühne im Vordergrund stehen sollte.
Und doch verzeichneten Sie eine sehr erfolgreiche Ausgabe 2023.
Ja, im vergangenen Jahr haben wir mit unseren normalen Bühnenveranstaltungen, in der Regel also nur Gespräche und Lesungen über Literatur, Besucherrekorde gebrochen. Das Publikum schätzt es offenbar, wenn ihm Bücher nicht vorgetanzt und vorgesungen, sondern in guten Diskussionen und Lesungen nähergebracht werden.
Bei Festivals sind auch jeweils die Moderationen oft ein sensibles Thema. Was macht denn einen guten Gesprächspartner für diesen Job aus?
Ehrliches Interesse am Thema des Buches und vorurteilsfreie Neugier auf den Gast, der einem auf der Bühne gegenübersitzt, sind Grundbedingung und gleichzeitig die halbe Miete für eine gute Moderation – dann braucht es nur noch fundierte Vorbereitung, und die ist bei einem Profi selbstverständlich. Wir arbeiten seit Jahren mit denselben professionellen Moderatorinnen und Schauspielern, ich habe also jeweils die Stimmen im Ohr, wenn ich überlege, wen ich mit welchem Buch, mit welchem Schreibenden kombiniere. Mit der Zeit lernt man sein Team ja auch immer besser kennen; ich kann gut einschätzen, wer sich für welches Buch und für welches Thema begeistern wird.
Spielt auch die Schweiz als Nachbarland bei den Literaturtagen eine Rolle?
Natürlich, wir thematisieren auch die italienische Einwanderung in die Schweiz, die Schwarzenbach-Initiative und unser heutiges Verhältnis als Schweiz zu Italien, unter anderem mit Fabiano Alborghetti und Marina Widmer mit «Grazie a voi» und «Spurlos in Neapel» von und mit Franco Supino.