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K. o., o. k., Mail und Food
Zurzeit werden alle europäischen Sprachen von englischen Begriffen überflutet. Die Aufnahme der Anglizismen und die Haltung ihnen gegenüber unterscheiden sich allerdings in verschiedenen Ländern voneinander.

 

Christoph Gutknecht

 

In Deutschland gibt es Berufsgruppen, deren Vokabular dem sprachlichen Normalverbraucher nicht mehr ohne Weiteres zugänglich ist. Sie arbeiten in den Bereichen der Werbung, des Marketings, der elektronischen Datenverarbeitung – der EDV, auf Englisch EDP: electronic data processing. In letzterem Feld reklamiert manche Software für sich das Prinzip des WYSIWYG. Das Wortmonster ist ein Akronym, ein aus Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildetes Kunstwort. Es heisst im Klartext: What you see is what you get – auf Deutsch: Sie erhalten das, was Sie sehen. Gerade im Bereich der EDV herrscht bei aller Progressivität und Kreativität ein deutsch-englischer Mischmasch. Er ist sehr schnelllebig, weshalb manche Begriffe nach kurzer Zeit oft kaum noch verstanden werden – ebenso wenig übrigens wie gewisse Berufs- oder Gruppenbezeichnungen. Akronyme, aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildete Kurzwörter wie eben EDV (elektronische Datenverarbeitung), sind im Englischen häufig. Man hat in angelsächsischen Ländern einen besonderen Sinn für Wortspiele, sogenannte puns, und macht sich seit jeher einen Spass daraus, immer neue Abkürzungen zu erfinden. Neben den karrieresüchtigen Yuppies, den Young Urban Professionals und den sogenannten DCCs, den dual career couples, gibt es die kinderlosen Doppelverdiener, die dinks, wie sie genannt werden, seitdem das Wort in den USA geprägt wurde. Das Akronym dinks steht für double income, no kids. Beim Sprachverhalten mancher Gruppen ist, wie bei ihrer Namensgebung, die sich aus fremdsprachlichen (häufig englischen) Abkürzungselementen herleitet, eine Portion Imponiergehabe im Spiel. Apropos, Abkürzungen! Manchen von ihnen sieht man in schriftlicher Form nicht an, aus welcher Sprache sie stammen. K. o. ist eindeutig: Es steht für das englische knock out, das sogar ins deutsche Wortbildungsmuster übernommen wurde. Wenn jemand hört, jemand sei ausgeknockt worden, und das Wort in Lexika nachcheckt, findet man dort tatsächlich den Eintrag ausknocken. Bei OK ist es schwieriger. Im Deutschen steht die Abkürzung für Organisierte Kriminalität, die englische Variante spricht sich ou’kei und erfreut sich besonders in den USA grosser Beliebtheit. Ohne Punkte ist sie der postalische Zip-Code für den Staat Oklahoma. Mit und ohne Punkt, auch in den Schreibungen okay, okey oder okeh, tritt das Lexem als Substantiv, Adjektiv, Adverb, Interjektion und als transitives Verb auf. O. k. ist die am häufigsten gebrauchte Abkürzung der Welt. «Kaum jemand weiss, was sie bedeutet», schrieb schon im Jahre 1990 das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel. Der amerikanische Sprachforscher A.W. Read entdeckte die erste Verwendung des Akronyms in einer Ausgabe der Boston Morning Post vom 23. März 1839 und deutete sie als scherzhafte Änderung der umgangssprachlichen Aussprache von all correct. Diese Erklärung lesen wir auch in der zweiten Ausgabe des berühmten Oxford English Dictionary. Wie sollen wir uns zum Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache stellen? Sehr abgewogen und vernünftig hat sich die Wochenzeitung Zeit schon vor rund vier Jahrzehnten – im März 1985 – zu diesem Thema geäussert: «Dass die deutsche Sprache seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges von englischen Wortimporten überschwemmt wird, ist sattsam bekannt. Dass dieser Zustrom von Anglizismen keine vorübergehende Erscheinung ist und die Mehrzahl der zugeströmten Wörter und Wendungen auch nicht wieder verschwinden wird, wollen manche nicht wahrhaben. Dass dieser Sprachimport das Deutsche nicht nur verändert, sondern auf lange Sicht auch bereichert, hören viele dennoch gar nicht gern.»

 

Fussnote:

Der Autor Christoph Gutknecht ist emeritierter Professor für Linguistik des Englischen an der Universität Hamburg.                                                                            

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