volodymyr hryshchenko
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Forelle, Lachs, Stör: In der Gourmet-Metropole Lyon wandern täglich unzählige Fischhäute in den Kehricht. Nun haben drei Pioniere ein Verfahren entwickelt, das aus den Abfällen von heute ein Luxusmaterial für morgen macht. 

 

John Micelli

 

«Wir haben eine Regel bei Ictyos», erklärt Benjamin Maltrait im Interview mit der Nachrichtenplattform Business Insider: «Wir verarbeiten nur die Reste von Fischen, die gegessen worden sind.» «Niemals werden wir die Häute von Tieren verwenden, die nur zu diesem Zweck gezüchtet werden», bestätigt Gauthier Lefébure. Die beiden Ingenieure haben sich beim Studium kennengelernt und zusammen mit Emmanuel Fourault drei intensive Jahre in Forschung und Entwicklung investiert. In kurzer Zeit haben sie sich dann in einem Nischenmarkt etabliert: Bei der Herstellung in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft eines qualitativ hochwertigen, hypoallergenen Leders, das gehobenen Ansprüchen an Aussehen und Langlebigkeit genügt. Und kein übler Geruch verrät seine Herkunft. Im Gegenteil würden die exklusiven «Cuirs marins» für Taschen, Accessoires und Kleidungsstücke einen dezenten Duft nach Holz verströmen, versprechen ihre Erfinder – dank einem geheimen Wasch- und Gerbverfahren, das mit natürlichen, pflanzenbasierten Stoffen auskommt.

 

Gift und Leid

«Gerben ist ein giftiges Geschäft», schreibt die Umweltschutzorganisation Global 2000: «Weltweit leiden viele Menschen unter Giften – unter anderem Chromsalze, Laugen und Farbstoffe –, die ihre Ursprünge in der Lederindustrie haben.» Betroffen sei in erster Linie der globale Süden: Wichtige Lederproduzenten in den weltweiten Lieferketten sind Indien, Bangladesch und Brasilien. Tierschützerinnen und -schützer erinnern an das Tierleid, das die herkömmliche Lederproduktion verursacht: In vielen Fällen sei der Transport nicht tiergerecht, die Schlachtung grausam. Besonders brutal sei die Gewinnung von Schlangenleder – mit dem das Fischleder aufgrund seiner Struktur gern verglichen wird –, da die Tiere oftmals lebendig gehäutet würden. «Die Haut lässt sich so leichter abziehen, als wenn man die Tiere vorher töten würde», erklärt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Praxis. Auf chemische Komponenten im Herstellungsprozess kann auch Ictyos an seinem Produktionsstandort in Saint-Fons, einem Vorort von Lyon, nicht ganz verzichten. Beim Färben des Leders lasse sich mit ausschliesslich natürlichen Stoffen noch kein befriedigendes Resultat erzielen, umreisst Maltrait das Problem: «Es gilt eine Balance zu finden zwischen Auswirkungen und Beständigkeit des Produkts.» Er sagt aber auch: «Wir sind noch nicht am Ende des Weges.»

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