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Geht es nach dem Bundesrat, dürfen die Krankenkassen künftig auch im Ausland gekaufte medizinische Hilfsmittel wie Verbandmaterialien oder Inkontinenzhilfen vergüten. Damit kommt die Landesregierung einer alten Forderung aus verschiedenen politischen Lagern nach. Santésuisse schätzt das Sparpotenzial der Massnahme auf mehrere Millionen Franken pro Jahr.

von John Micelli

«Höchstpreise bedeuten, dass tiefere Preise erlaubt wären, doch kommen diese in der Praxis nicht vor. Die offiziell für den Verkauf zulasten der Krankenversicherung zugelassenen Verkaufsstellen verwenden in der Regel den Höchstpreis», moniert der Krankenkassenverband Santésuisse auf seiner Website. In der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ist festgehalten, welche medizinischen Hilfsmittel von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet werden. Dabei handelt es sich gemäss BAG «um Mittel und Gegenstände, die von den Versicherten selbst oder einer nicht beruflich an der Untersuchung oder Behandlung mitwirkenden Person» angewendet werden. Darunter fallen verschiedenste Materialien: Gehstöcke ebenso wie Kompressionsstrümpfe, Prothesen, einfache Pflaster und Verbände genauso wie spezifische Bandagen zur Verwendung nach Operationen am Gelenkapparat, Teststreifen zur Blutzuckermessung oder Inhalatoren. Die vom BAG auf der Liste bewilligten maximal zulässigen Preise allerdings stammen teilweise noch aus den 1990er-Jahren und sind gemäss Santésuisse «massiv überhöht»: Ein Paar Krücken beispielsweise müssen die Versicherer nach geltendem Höchstpreis auf der MiGeL mit 81 Franken vergüten. Bei Verkaufsstellen, an denen sich die Krankenkassen nicht beteiligen, sind sie für 24 Franken zu haben. Den Konsumentinnen und Konsumenten – in diesem Fall Patientinnen und Patienten – war es bis anhin nicht möglich, als persönlichen Beitrag zur Kostendämmung im Gesundheitswesen bei ärztlich verordneten Hilfsmitteln den günstigsten Anbieter zu wählen, die Produkte online oder gar im grenznahen Ausland zu beziehen. Denn die Schweizer Krankenkassen und Sozialversicherungen dürfen nur medizinische Hilfsmittel und Gegenstände vergüten, die in der Schweiz gekauft worden sind.

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Bundesrat denkt um

Auf entsprechende Motionen – 2016 von der Sozialdemokratischen Fraktion im Nationalrat, von der Mitte-Fraktion im Ständerat eingebracht – reagierte der Bundesrat bis anhin ablehnend. Er berief sich dabei auf das bei der OKP geltende Territorialitätsprinzip. «Die MiGeL führt generische Produktbeschreibungen, und in den diesbezüglich aufgeführten Höchstvergütungsbeträgen sind auch Serviceleistungen wie zum Beispiel Instruktion, Beratung, Anpassung und Notfallleistungen enthalten.

Die Abgabestellen haben eine Verantwortung hinsichtlich der Abgabe geeigneter Produkte, Gewährleistung der Qualität sowie Instruktion der Patienten», schrieb die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Motionen und gab zu bedenken, dass «bei einem Erwerb der Mittel und Gegenstände im Ausland weder persönliche Anpassungen noch Anwendungsinstruktionen durch den Leistungserbringer» sichergestellt werden könnten. Nun aber hat sich der Bundesrat umentschieden und will zumindest für einen Teil der auf der Liste erfassten Hilfsmittel den Schutz für Inlandsprodukte aufheben und hat beschlossen, die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu schaffen.

 

Verbände ja, Prothesen nein

Ausgenommen bleiben weiterhin Hilfsmittel mit hohen Anforderungen zur Abgabe und Anwendung, wie beispielsweise Prothesen. «Bei diesen Produkten besteht die Gefahr, dass die Instruktion oder die Anpassungen ungenügend sind und sie deshalb später in der Schweiz nochmals bezogen und vergütet werden müssten», befürchtet der Bundesrat. Zudem könnten die Versicherer in der Schweiz nicht pauschal beurteilen, ob die Abgabe dieser Medizinprodukte im Ausland wirklich zweckmässig und günstig sei. Immerhin aber dürfte bald über die Hälfte der auf der MiGeL erfassten Mittel und Gegenstände frei aus dem gesamten europäischen Wirtschaftsraum bezogen werden und könnten – sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt – von den Versicherern trotzdem vergütet werden. Gemäss dem medizinischen Fachportal Medinside sind die Preisunterschiede insbesondere bei Verbandmaterialien und Inkontinenzhilfen frappant: Sie würden im Ausland oft nur einen Bruchteil des Schweizer Preises kosten. Ein Preisvergleich des Krankenkassenverbandes mit Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Italien und Österreich ergab 2016 ein jährliches Sparpotenzial von 36 Millionen Franken.

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