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Anne Challandes
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Mein achtsamer Blick:

Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsverantwortliche bei Amnesty Schweiz

«Nein heisst Nein» ist keine zeitgemässe Lösung 

Der Ständerat hat wichtige Neuerungen zur Reform des Sexualstrafrechts auf den Weg gebracht, die einen besseren Schutz vor sexualisierter Gewalt bringen. Mit dem knappen Entscheid für die «Nein heisst Nein»-Lösung im Vergewaltigungstatbestand wurde jedoch die Chance verpasst, ein klares Zeichen für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu setzen. Denn mit dem Entscheid für die «Nein heisst Nein»-Lösung zementiert der Ständerat die überholte Vorstellung, dass sexuelle Handlungen in Ordnung seien, solange das Gegenüber nicht Nein sagt. Dies ist eine verpasste Gelegenheit, das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung umfassend zu schützen und endlich festzuhalten, dass jede sexuelle Handlung der gegenseitigen Zustimmung bedarf. 

Der Grund: Die sogenannte Ablehnungslösung, sprich die «Nein heisst Nein»-Lösung gibt Opfern eine Mitverantwortung, indem erwartet wird, dass diese ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen. Das Gesetz signalisiert damit weiterhin, dass die betroffene Person die Verantwortung hat, sich vor einer Vergewaltigung zu schützen. Der Fokus bleibt zu stark auf den Opfern und darauf, wie sie auf eine unerwünschte sexuelle Handlung reagiert haben. 

Das Parlament sollte endlich im Gesetz festschreiben, was längst in der Gesellschaft angekommen ist und in immer mehr europäischen Ländern gilt: Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung und soll entsprechend bestraft werden! In den folgenden zwölf europäischen Staaten ist das Zustimmungsprinzip bereits Gesetz: Belgien, Vereinigtes Königreich UK, Luxemburg, Island, Malta, Schweden, Griechenland, Zypern, Dänemark, Slowenien, Irland, Kroatien. Vor Kurzem hat auch das Abgeordnetenhaus in Spanien eine «Nur Ja heisst Ja»-Lösung verabschiedet. 

Zusammen mit von sexualisierter Gewalt Betroffenen und Tausenden von Unterstützer*innen wird sich Amnesty International weiterhin für die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung einsetzen. Wir rufen jetzt den Ständerat dazu auf, sich ohne Vorbehalte hinter die Zustimmungslösung zu stellen und damit endlich klar zu signalisieren, dass das schockierende Ausmass an sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen in der Schweiz nicht länger toleriert wird. 

Innerhalb kürzester Zeit haben bereits 25 000 Menschen das Parlament dazu aufgerufen, die Zustimmungslösung «Nur Ja heisst Ja» im neuen Sexualstrafrecht zu verankern. Die Petition von Amnesty International, Operation Libero und weiteren Organisationen wird weitere Unterschriften sammeln und damit dem National- und Ständerat deutlich machen, welche Erwartungen die Bevölkerung an das neue Sexualstrafrecht hat. 

Cyrielle Huguenot ist Frauenrechtsverantwortliche bei Amnesty Schweiz. Sie leitet die 2019 von Amnesty Schweiz lancierte Kampagne für ein konsensbasiertes Sexualstrafrecht: «Nur Ja heisst Ja». 

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