Anne Challandes
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Der achtsame Blick:

Fabienne McLellan ist Geschäftsführerin von OceanCare, leitet das Plastikprogramm und vertritt die Organisation in internationalen Gremien.

Die Schweiz kann sich nicht aus ihrem
Plastikproblem herausrezyklieren

Die Plastikverschmutzung in der Schweiz ist viel grösser, als es vielen bewusst ist. Mit einem
jährlichen Verbrauch von 127 Kilogramm pro Kopf gehört unser Land zu den unrühmlichen
Spitzenreiterinnen in Sachen Plastikverbrauch. Täglich wandert in der Schweiz pro Kopf etwas mehr als ein halbes Pfund Plastik in den Abfall – oder die Natur. Denn ganze 14 000 Tonnen Makro- und Mikroplastik gelangen so jedes Jahr in die Schweizer Gewässer und Böden. Allein der Genfersee nimmt jährlich etwa 55 Tonnen Plastik auf, das meiste als Mikropartikel. Littering kostet die Schweiz jährlich rund 200 Millionen Franken. Plastikverschmutzung ist ein grenzüberschreitendes Problem: Aus dem Binnenland Schweiz gelangen jedes Jahr rund 20 Tonnen Mikroplastik in die Meere.
Die Schweizer gelten gemeinhin als ‹Weltmeister› im Sammeln von Plastikmüll. Doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn nur gerade zehn Prozent dieses verwendeten Plastiks werden rezykliert. Der Grund: Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Die enorme Anzahl verschiedener Kunststoffe, Zusatzstoffe und unzähliger Kombinationen machen das Rezyklieren in der Praxis oft unmöglich. Aktuell werden 85 bis 90 Prozent der Kunststoffe in der Schweiz bereits nach kurzem Gebrauch ‹thermisch verwertet›, also verbrannt und weder rezykliert noch wiederverwendet. Das unterläuft klar das vom Bund offiziell angestrebte Ziel der Kreislaufwirtschaft und der verstärkten Wiederverwertung. Wir müssen also auch bei der Produktion und dem Design von Kunststoffprodukten ansetzen. Viele Einwegverpackungen werden aus Kunststoffen hergestellt. Doch ein Plastiksack wird durchschnittlich nach nur 20 Minuten zu Müll. Wir stellen also Wegwerfprodukte aus Rohöl und Erdgas her, somit aus nicht erneuerbaren Ressourcen, die kaum abbaubar sind – das ist absurd.
Deshalb braucht es Regulierungen, damit auch in der Schweiz endlich weniger Plastik verbraucht wird – so wie es in vielen anderen europäischen Ländern längst Realität ist.
Das Schweizer Plastikproblem wird sich nicht durch freiwillige Verpflichtungen und die Selbstregulierung der Privatwirtschaft lösen. Eine repräsentative Umfrage der gfs.bern zeigt, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer sich eine rechtlich verbindliche Regelung wünscht. International ist die Schweiz sehr engagiert und setzt sich für ein effektives Plastikabkommen ein, das Plastikverschmutzung entlang des gesamten Lebenszyklus reguliert. Dieses Momentum muss nun auch auf die Schweiz überschwappen, damit unser Land in Sachen Einwegplastik vom Schlusslicht zum Champion wird. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind bereits vorhanden: Eine Einwegplastik-freie Zukunft ist unser Ziel. Auf dem Weg dorthin braucht es alle: die Regierung, die Wissenschaft, die Privatwirtschaft, NGOs und jede/n Einzelnen.

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