Anne Challandes
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Mein achtsamer Blick:

Fatma Leblebici, Mitinitiantin von «Stimmen geflüchteter Frauen»

Stimmen, die gehört werden sollen 

Geflüchtete Frauen kommen kaum zu Wort. Im Herbst 2019 wurden zwei Berichte sowie eine Studie von Bund und Kantonen zur Situation geflüchteter Frauen in der Schweiz veröffentlicht. Es wird darin viel über, nie aber mit geflüchteten Frauen gesprochen. Die Berichte haben grossen Handlungsbedarf im Hinblick auf die Berücksichtigung grundlegender geschlechtsspezifischer Bedürfnisse, die Vorbeugung von Gewalt an Frauen und die Erkennung und Behandlung von Gewaltbetroffenheit festgestellt. Es fehlt an geschlechtergetrennten Sanitäranlagen, Aufenthaltsräumen für Frauen, weiblichen Ansprechpersonen, Dolmetscherinnen, Konzepten zu Identifikation, Prävention und zum Umgang mit (sexualisierter) Gewalt – um nur einige wichtige Beispiele zu nennen. Unter anderem als Folge der Publikation der Berichte des Bundes und der Kantone sind die Behörden zwar für das Thema sensibilisiert – einzelne Massnahmen wurden auf Bundesebene ergriffen –, sie gehen jedoch noch viel zu wenig weit und haben keine grundsätzliche Verbesserung bewirken können. Es braucht weiterhin zivilgesellschaftlichen Druck, um den Stimmen geflüchteter Frauen Gehör zu verschaffen und ihre Situation in der Schweiz zu verbessern. 

Das «Stimmen-Projekt» wurde von Brava (ehemals TERRE DES FEMMES Schweiz) im Jahr 2021 ins Leben gerufen. Die Vision: gemeinsam mit geflüchteten Frauen eine Plattform schaffen, über welche sie Politiker/-innen, relevanten Behörden und der Öffentlichkeit ihre Anliegen mitteilen können.  

Bis heute konnten im Rahmen des «Stimmen-Projekts» 14 Workshops mit geflüchteten Frauen durchgeführt werden. In einem ersten Schritt wurden die Frauen über das Projekt und über die Grundlagen des politischen Systems in der Schweiz informiert und lernten die anderen Teilnehmerinnen kennen. Im gemeinsamen Gespräch wurden danach die Anliegen und Forderungen der Frauen herausgearbeitet. Ausserdem hatten die Teilnehmerinnen Gelegenheit, an ihrer Auftrittskompetenz zu arbeiten und sich auf öffentliche Auftritte, wie zum Beispiel ein Treffen mit Politiker/-innen, vorzubereiten. Highlights des bisherigen Projektverlaufs waren etwa die Treffen mit der Politikerin Tanja Bauer oder dem Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller, bei welchen die Teilnehmerinnen ihre Forderungen kundtun konnten, oder die Teilnahme am feministischen Streik am 14. Juni 2022.   

Nach dem Aufbau der Gruppe und der Vermittlung von Grundlagenwissen soll die Gruppe in einem weiteren Schritt mit eigenen Aktivitäten und einem noch höheren Selbstorganisierungsgrad ihren Anliegen Gehör verschaffen, damit sie von Entscheidungsträger/-innen und der Öffentlichkeit als das wahrgenommen werden, was sie sind: als Menschen, die für sich selbst sprechen können und die politischen Prozesse aktiv mitgestalten wollen. 

Fatma Leblebici ist Verantwortliche Bildung bei Brava (ehemals TERRE DES FEMMES Schweiz) und verantwortlich für das Projekt «Stimmen geflüchteter Frauen». 

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